„Besondere Beziehungen“ – Was Deutschland zum Frieden zwischen Israelis und Palästinensern beitragen kann

Tagung in Berlin-Spandau vom 20.-22. April 2007:
„Besondere Beziehungen“ – 
Was Deutschland zum Frieden zwischen Israelis
und Palästinensern beitragen kann
Kurzbericht von Reiner Steinweg

Atmosphäre und Inhalte

Die Informationen über die gegenwärtige deutsche Israelpolitik inklusive der Rüstungs­proliferation, die israelische Gesellschaft, die Situation der PalästinenserInnen und über die Hizbullah waren dicht und vielschichtig, überwiegend aus eigener Beobachtung (z.B. Interviews mit Hisbullah-Mitgliedern) Das galt auch für die kleine entwicklungspolitische Podiumsdiskussion und die lebhafte Debatte über eine zukünftige „Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Nahen Osten“. Udo Steinbach und Werner Ruf reagierten auf die Vorträge und Diskussionen mit sehr beunruhigenden (starke Zunahme des Antisemitismus in Deutschland als Folge der aktuellen Politik; „Israel war noch nie so bedroht wie derzeit“ usw.), aber auch konstruktiven Zwischenbilanzen (Europas Verantwortung und Möglichkeiten).

Die Kritiker des „Manifest der 25“ haben vorgezogen, nicht zu erscheinen – oder gingen während der Tagung nicht „aus der Deckung“. Kaum vorstellbar, dass sie von der Tagung nicht gewusst haben könnten; die kritischen Leserbriefschreiber hatte ich angeschrieben und informiert, die Ev. Akademie hatte 1600 Einladungen verschickt. Die große kontroverse Debatte mit öffentlicher Anteilnahme blieb also aus. (Wir hatten die Tagung auch nicht daraufhin angelegt, mit Absicht keine kontroverse Podiumsdiskussion angesetzt.)

Stattdessen gab es gute inhaltliche Diskussionen in einem angenehmen Klima, eine wohltuende Nachdenklichkeit und respektvolle Offenheit in den Gesprächen. Dazu trugen nicht zuletzt die erfahrenen ModeratorInnen bei. Jörg Becker hielt eine sehr persönliche Einleitung mit vielen offenen, bedrängenden Fragen. Es gab eine produktive Mischung aus Empirie, Theorieansätzen und Praxis: eine Zusammen­führung vieler Initiativen, deren Mitglieder sich bislang kaum kannten und die sich nun vernetzen können.

Besondere Ereignisse am Rande der Tagung waren eine berührende „Abraha­mitische Morgenandacht“ und der Film„The Iron Wall“. Beide standen in einem Spannungsverhältnis: Uwe Trittmann, der die Tagung vonseiten der Ev. Akademie Iserlohn ausgerichtet und kompetent geleitet hat, stellte bewusst den Ölbaum als altes biblisches Symbol des Lebens und der Hoffnung in den Mittelpunkt. In dem Film (siehe unten) konnte man sehen, wie israelische Siedler und Soldaten Ölbaumhaine von Palästinensern zerstörten.

Beteiligung

Wir hatten eine gute gender-Balance und sehr aktive TeilnehmerInnen. Aus der Politik waren zwar „Ehemalige“ anwesend, aber niemand, der sich aktuell auf der politischen Bühne und in diesem Themenfeld bewegt. (Wir hatten uns bei der Einladung der ReferentInnen bewusst auf die Fachebene beschränkt.) Das mag teilweise darauf zurückzuführen sein, dass es eine Fülle von Parallelveranstaltungen gab:

Am gleichen Wochenende veranstalteten Nonviolent Peaceforce und das Europäischen Netzwerk für Zivile Friedensdienste in Berlin eine Tagung, an der viele Mitglieder des „Forum Ziviler Friedensdienst“ teilnahmen, darunter auch der Manifest-Mitautor Tilman Evers. Die Kath. AkademieWolfburg/Mühlheim bot ebenfalls am gleichen Wochenende zu einem ähnlichen Thema wie wir eine Tagung an, wenn auch stärker theologisch fokussiert; die Ev. Akademie Arnoldshain hatte bereits eine Woche vorher eine Tagung zu Israel – Palästina gehabt, mit Reiner und Judith Bernstein (Genfer Initiative und Europäische Juden für einen gerechten Frieden); an dieser Tagung hat der Manifest-Mitautor Gert Krell teilgenommen; wenig später, am 12./13. Mai tagte Pax Christi in der Ev. Bad Boll direkt zum Manifest, das dort vom Mitautor Georg Meggle vertreten wurde; und ebenfalls am 13. Mai bot die Petra Kelly-Stiftung in München eine Tagung zu „Der Traum vom Frieden in Nahost – mehr als eine Illusion?“ an. Als wir unseren Termin vereinbart haben, wussten wir von alledem nichts. So war unsere Tagung weniger gut besucht als erwartet, aber mit insgesamt 60 TeilnehmerInnen unter diesen Umständen noch immer bemerkenswert gut.
Die „Manifest“-Autoren waren unter den Mitwirkenden der Spandauer Tagung durch Jörg Becker, Karlheinz Koppe, Werner Ruf, Udo Steinbach und mich vertreten, unter den TeilnehmerInnen außerdem durch Egbert Jahn und Hajo Schmidt. Eine Teilnehmerin brachte Israel- und Palästinaerfahrung seit 1964 mit (Ellen Rohlfs, die Übersetzerin der Artikel von Uri Avnery), auch andere TeilnehmerInnen sind seit Jahren engagiert und brachten ihre Kenntnisse gewinnbringend in die Diskussion ein.

Ergebnisse und Bewertung

Die Auslotung von Handlungsspielräumen deutscher Nahostpolitik muss in jedem Fall noch weiter vorangetrieben werden. In der Hinsicht hat sich zwar manches geklärt Der nächste, sehr wichtige Schritt sollte eine förmliche Anerkennung der Grenzen von 1967 durch Deutschland und die EU sein; da die Situation nicht-definierter Grenzen die Atmosphäre vergiftet und Verlässlichkeit verhindert.
Es gab von vielen Personen explizit ausgesprochenen Dank an die Veranstalter und für das Manifest, von Lothar Brock auch einige gut begründete Kritik am Aufbau und an Details des Textes. Ich selbst habe Revue passieren lassen, was mir an den vorgebrachten und dokumentierten Kritiken einleuchtet und was nicht. Insgesamt scheinen wir zum richtigen Zeitpunkt (wenn auch „im Prinzip“ um Jahre zu spät) einen guten Diskussionsanstoß gegeben zu haben.

Tagungsdokumentation?

Einige Beiträge, leider nicht alle, konnten auf Tonband aufgenommen werden und werden derzeit abgeschrieben. Jörg Becker und ich überlegen, einen Band über die Fragestellung der Tagung herauszubringen, der einige überarbeitete Tagungs­beiträge und einige Reaktionen auf das Manifest enthält, aber vielleicht auch den einen oder anderen Beitrag darüber hinaus. Also keine Tagungsdokumentation im engeren Sinne, sondern etwas Eigenständiges. Das wird jedoch einige Zeit dauern. Wir müssen erst einmal klären, wie wir einen solchen Band finanzieren und vermarkten können.

Meinen eigenen Beitrag – eine (auch selbstkritische) Reflexion zum „Manifest der 25“ und zu der dokumentierten Kritik daran, die einige Betroffenheit auslöste –  werde ich auf jeden Fall überarbeiten und in einem zweiten Dokumentationsband mit Reflexionen der Manifest-Autoren auf dieser Homepage zugänglich machen (nicht vor September 2007).

Der Film „The Iron Wall“ – Die Eiserne Mauer

Ein besonderes Ereignis war der nachts gezeigte, von einer Teilnehmerin mitgebrachte neue Dokumentar-Film „The Iron Wall“, der auf beklemmende und eindringliche Weise vor Augen führt, wie sich die verstärkte jüdische Siedlungstätigkeit nach Oslo abgespielt hat (Verdopplung der Siedlungen seit Oslo mit massiver staatlicher Unterstützung, nicht zuletzt im Infrastrukturbereich/­Straßenbau und schon zuvor bei der Landnahme durch israelisches Militär, bei der Zerstörung von Olivenhainen der Palästinenser und deren Vertreibung von ihrem Eigentum). Der Film wurde bereits mehrmals in Jerusalem gezeigt, zu schlechter Sendezeit auch im Fernsehen, wie Inge Günther berichtete. Er ist auf Englisch beziehbar über contact@palestineonlinestore.com und wird dank einer finanziellen Unterstützung, die ich nach der Tagung für diesen Zweck einwerben konnte, Ab September 2007 in einer deutschen Version zugänglich sein. (Bestellungen bis auf weiteres über das Forum Crisis Prevention oder mich – der Vertrieb wird noch geregelt und später auf dieser Homepage bekannt gegeben.